1. Überblick über den Marktforschungsprozess

Als Einleitung in den Themenbereich Marktforschungsprozess ein Video über den Ablauf eines Ad-hoc Projektes in der Marktforschung bei TNS-Infratest.

 

Video: “Ablauf eines Ad-hoc Projektes bei TNS Infratest”
Matthias Hartmann
Director Automotive & Teamleiter bei TNS Infratest

 

Marktforschungsprojekte sind sehr vielfältig. Dennoch lassen sich bei allen zentrale Schritte erkennen, die stattfinden.

Diese können als logische und zeitliche Sequenz verstanden werden.
Da Projekte oft verschiedene Methoden und Teilprojekte beinhalten, versteht sich diese Prozessdarstellung lediglich als als Orientierungshilfe und Ordnungsrahmen.


Marktforschungsprozess.png
Abbildung: Prozess der Marktforschung


Es
folgt ein knapper Überblick über die einzelnen Schritte, die in anderen Kapiteln sehr detailliert dargestellt werden.

  • Zu Beginn jedes Forschungsvorhabens steht die Analyse der Ausgangsbedingungen und letztendlich die Entscheidung, ein Forschungsprojekt zu starten.
    Dies ist ein sehr komplexer Schritt, sowohl in der Marktforschungspraxis als auch bei wissenschaftlichen Forschungsprojekten. Hintergrund für Marktforschung ist immer ein Informationsbedarf. Informationsbedarf entsteht immer, wenn Probleme auftreten oder Chancen vorhanden sind und das Management Entscheidungen treffen will. In einigen Bereiche, wie etwa den Kunden, ihren Bedürfnissen und ihrem Konsumverhalten besteht nahezu immer Forschungsbedarf, da diese Bereiche eng mit dem Erfolg des Unternehmens verbunden sind.
    Information ist daher eine zentrale Ressource in Unternehmen, sie hilft Unternehmern ihre Chancen und Probleme zu erkennen und ist die Grundlage richtige Entscheidungen zu treffen. Entsprechend den Nutzern von Information und der Bedeutung der Entscheidungen lässt sich der Wert der Information abschätzen und bildet den Rahmen für die Investitionen in die Beschaffung. Wichtig ist an dieser Stelle den Informationsbedarf bereits möglichst konkret und präzise zu definieren.
    Auch bereits zugängliche Information, verfügbare Ressourcen, zeitliche Rahmenbedingungen, die vorhandenen Quellen für Informationen sowie eigene und fremde Kompetenzen bilden den Hintergrund für die Entscheidung Marktforschung vorzunehmen. Meist wird man Marketinginformationen auf anderem Wege zur Verfügung haben, Marktforschung ist die absolute Ausnahme.
    Zudem findet in dieser Phase die Entscheidung “Make or buy?” statt. Erhebt man die Daten selbst, in Kooperation mit externen Anbietern oder beauftragt man vollständig einen externen Dienstleister?

  • Ist die Entscheidung für Marktforschung getroffen, steht die Entwicklung eines Forschungsdesigns an. Spätestens hier gilt es, den Informationsbedarf exakt zu definieren und ein geeignetes Design zur Beschaffung zu entwickeln. Es versteht sich von selbst, dass man das Design wählen wird, das am schnellsten und ökonomischsten die gewünschten Informationen in der gewünschten Qualität gewinnen kann. Wichtige Entscheidungen, die hier getroffen werden müssen, sind die Abgrenzung des Marktes, die Definition der Untersuchungsobjekte und zu erhebender Variablen, die Wahl eines grundlegenden Forschungsansatzes, Ort und Durchschaubarkeit der Untersuchung, sowie eingesetzte Erhebungsverfahren und Auswahlverfahren für die Untersuchungsobjekte (Stichproben). Oftmals wird man ein Design wählen, das aus verschiedenen Teilstudien besteht, für die diese Punkt jeweils getrennt zu bestimmen sind.
  • Steht das Forschungsdesign, kann mit der Datenerhebung begonnen werden. Hierfür stehen eine Vielzahl an Verfahren aus den beiden großen Bereichen der Befragungs- und Beobachtungsverfahren zur Verfügung. Meist werden davon mehrere in verschiedenen Phasen des Designs eingesetzt werden.
  • Nach der Datenerhebung folgt der Schritt Datenauswertung. Hier werden zunächst die Daten aufbereitet, mitunter fehlende Werte geschätzt und kritische Datensätze ausgefiltert (z.B. doppelte Datensätze oder Personen, die gar nicht gefragt hätten werden sollen). Dann werden die Berechnungen, um die gewünschten Informationen zu beschaffen durchgeführt.
  • Der Datenauswertung schließt sich die Interpretation der Ergebnisse an.

    Hier ist zunächst genau zu beachten, wie und in welchem Kontext die Daten zu Stande gekommen sind. Was bedeuten die Ergebnisse vor diesem Hintergrund? War z.B. die Anonymität wirklich glaubhaft gewährleistet (kritischer Punkt vor allem bei Mitarbeiterbefragungen)? Kann es sein, dass die Befragten etwas mit ihren Angaben erreichen wollten?

    Der nächste Schritt bei der Dateninterpretation ist noch anspruchsvoller. Kern ist hier herauszuarbeiten, was die Daten für das Unternehmen mit dem Informationsbedarf bedeuten, welche Konsequenzen die Ergebnisse für die anstehenden Entscheidungen haben.

  • Abschließend werden Daten und Interpretationen an die Entscheider und Nutzer der Information kommuniziert. Dafür werden die Inhalte aufbereitet und in aller Regel einer Präsentation und einem Forschungsbericht kommuniziert. Häufig ist auch nur eine Präsentation der zentralen Ergebnisse erwünscht, da Entscheidungen zunehmend schnell getroffen werden müssen.

  • Viele Marktforscher gehen auch verstärkt in den Bereich der Umsetzungsberatung, da hier relativ lukrative Margen bestehen.

  • Das Modell kann in der Anwendung als Kreislauf verstanden werden. Nach der Umsetzung steht mitunter die Evaluation des Erfolges als neue Studie und es folgt neuer Informationsbedarf, der früher oder später zu neuen Marktforschungsfragen führt.

Das Modell ist als Orientierungsrahmen zu verstehen. In der Praxis herrscht Komplexität.
Nicht in jedem Marktforschungsprojekt wird jeder Schritt durchgeführt. Manchmal werden nur Daten erhoben, manchmal geht es nur um Datenauswertung oder nur um Dateninterpretation. Oft wird auch von mehreren Dienstleistern arbeitsteilig gearbe
itet.
Auch finden einzelne Schritte oft gleichzeitig statt. So werden mitunter schon Daten erhoben, bevor das komplette Versuchsdesign mit allen Teilstudien steht oder das Versuchsdesign wird auf Grund von Erfahrungen bei der Datenerhebung geändert. So kann es sein, dass eine Methode von den Teilnehmern abgelehnt wird, Versuchspersonen sich beispielsweise kaum erwärmen können, ein psychologisches Labor zu betreten. Entsprechend empfiehlt es sich, besonders im Versuchsdesign entsprechende Back-Ups und Alternativwege als Asse im Ärmel zu haben.